Büffeln und Experimentieren für die Zukunft

Jülicher "Neutronenpraktikum" bei Europas Studierenden begehrt

[17. September 2004]

Jülich, 17. September 2004 - Europas künftige Neutronenforscher sind mobil: Zum 8. Laborkurs Neutronenstreuung im Forschungszentrum Jülich reiste die Hälfte der insgesamt 55 teilnehmenden Studenten aus dem Ausland an. Der Kurs wird vom Jülicher Institut für Festkörperforschung (IFF) gemeinsam mit der RWTH Aachen und der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster organisiert und von der Europäischen Union gefördert.

Unter Studierenden heißt er "Neutronenpraktikum" - gemeint ist der zweiwöchige Spezialkurs über Neutronenstreuung. Der Kurs richtet sich an Studierende der Physik, Chemie und anderer Naturwissenschaften. "über die Jahre hat sich herumgesprochen, dass dieser Kurs in einzigartiger Weise Theorie und Praxis verbindet", sagt Prof. Dieter Richter, Institutsleiter am Jülicher IFF und einer der Initiatoren und Organisatoren des Programms. "Nach einführenden Vorlesungen bieten wir eine Woche lang praktische Neutronenexperimente an Großgeräten, die zum Teil weltweit einmalig sind."

Das "Neutronenpraktikum" ist bei Studierenden aus ganz Europa beliebt. Dieses Jahr kamen sie aus Portugal, Schottland, Norwegen, Polen und Italien, einige sogar aus Russland nach Jülich. Auf jeden Praktikumsplatz gab es über drei Anmeldungen. Daher haben die Veranstalter die Teilnehmerzahl von 50 auf 55 erhöht. "Gerade in der Neutronenforschung ist Mobilität gefragt. Die Forschung mit Neutronen ist an wenige Großgeräte weltweit gebunden", betont IFF-Institutsleiter Prof. Thomas Brückel, ebenfalls Organisator und Vorsitzender des Komitees "Forschung mit Neutronen". "Je früher wir Studierenden Zugang zur Praxis geben, umso klarere Vorstellungen haben sie von der Arbeit und umso motivierter sind sie."

Während der letzten zwei Wochen gingen die Kursteilnehmer den Fragen nach, wie Neutronen erzeugt werden und wie sich ihre besonderen Eigenschaften zur Untersuchung von kondensierter Materie nutzen lassen. In der ersten Woche standen hierzu Vorlesungen auf dem Programm. In der zweiten Woche folgte die Praxis: Aus einem Angebot von elf Instrumenten wählten sich die Studierenden für jeden Tag eines aus. So führte jeder insgesamt fünf Neutronenexperimente durch. Von erfahrenen Wissenschaftlern lernten sie die Tricks und Kniffe kennen und werteten ihre Messungen aus. Zur guten Stimmung unter den Teilnehmern und dem gegenseitigen Kennenlernen trug auch die Unterkunft bei: die Abtei von Rolduc, ein ehemaliges Augustiner-Kloster gleich an der Grenze in den Niederlanden.

Der Laborkurs Neutronenstreuung ist fester Bestandteil im Lehrplan der beteiligten Universitäten und als Studienleistung anerkannt. Er wird vom Forschungszentrum Jülich und der Europäischen Union im Rahmen des Infrastruktur- und Mobilitätsprogramms NMI3 (Initiative für Neutronenstreuung und Myonenspektroskopie) finanziert. Die Reisekosten ausländischer Teilnehmer werden vollständig getragen - ein wichtiger Baustein, um die Mobilität der Studierenden innerhalb Europas und weltweit zu fördern. "Internationale Studienangebote sind integraler Bestandteil, um im Rahmen des 'Bologna-Prozess' bis zum Jahre 2010 zu europaweit vergleichbaren Studienabschlüssen zu kommen", so Dieter Richter. "Der hohe Standard der Ausbildung wird im Ausland geschätzt. Aus osteuropäischen Ländern und Russland empfehlen uns Kollegen ihre besten Studierenden."

Neutronen sind "Kundschafter im Mikroskosmos" mit vielen nützlichen Eigenschaften. Wissenschaftler der unterschiedlichsten Forschungsrichtungen verwenden Neutronen, um zu verstehen, was Materie und Magnetismus eigentlich sind, wie Atome sich in Materie anordnen und wie sie sich bewegen. Denn Neutronen tragen keine elektrische Ladung und dringen deshalb tief und zerstörungsfrei in die Materialien ein. Außerdem "sehen" Neutronen die Atomkerne in einem Material, erkennen ihre Anordnung und Bewegungen. Und die Teilchen verhalten sich wie kleine Magnete, die die magnetische Umgebung von Atomen abtasten. Die Forscher untersuchen mit Neutronen beispielsweise neue magnetische Phänomene in der Nanowelt der Polymere, die die Waschkraft von Tensiden (Seifen) steigern.

Das Forschungszentrum Jülich gehört weltweit zur Spitze der Neutronenforschung. Es baut eine Außenstelle seines Jülicher Zentrums für Neutronenforschung am neuen Münchner Forschungsreaktor (FRM-II) in Garching auf. Der FRM-II ist die leistungsfähigste deutsche Neutronenquelle. In der Jülicher Außenstelle werden insgesamt rund 30 Mitarbeiter (Wissenschaftler, Ingenieure, Techniker, Verwaltungsangestellte) vor Ort arbeiten und sieben eigene Instrumente im Wert von 45 Millionen Euro betreiben. Das ist die ideale Kombination, um ein internationales Zentrum für Neutronenforschung in Deutschland zu etablieren.

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Schon während des Studiums die Großforschung mit Neutronen kennen lernen: Hier untersucht eine Gruppe von Studierenden den atomaren Aufbau eines Kristalls mit einem Vier-Kreis-Diffraktometer.

Foto: Forschungszentrum Jülich

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Hochschulausbildung auf internationalem Niveau: Von den 55 Teilnehmern reiste die Hälfte aus dem Ausland an.

Foto: Forschungszentrum Jülich


Pressekontakt:

Peter Schäfer
Stellv. Leiter Öffentlichkeitsarbeit
Forschungszentrum Jülich
52425 Jülich
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Letzte Änderung: 19.05.2022