Wolfram erste Wahl für die Fusionskammer
Forscher berichten auf PSI 2012 von positiven Ergebnissen mit neuen Wandmaterialien
Aachen / Jülich, 23. Mai 2012 – Wandelemente aus Wolfram werden in zukünftigen Kernfusionsreaktoren eine zentrale Rolle spielen. So lautete die wichtigste Erkenntnis der 20. Internationalen Tagung zur Plasma-Wand-Wechselwirkung, die das Forschungszentrum Jülich in diesem Jahr vom 21. bis zum 25. Mai in Aachen ausrichtet. Fusionsforscher berichteten darauf erstmals von positiven Erfahrungen mit neuen Wandelementen aus Wolfram und Beryllium. Sie sind an das Design des künftigen Fusionsreaktors ITER angelehnt und müssen Temperaturen wie im Innern heißer Sterne standhalten.
Die Auskleidung der Brennkammer ist eine der Schlüsselfragen beim Bau zukünftiger Fusionsreaktoren. Um kontinuierlich, ausfallsicher und kostengünstig zu arbeiten, müssen die Wände über Jahre extremen Bedingungen standhalten. In der Brennkammer herrschen Temperaturen von über 100 Millionen Grad. Die eingesetzten Materialien dürfen nur einem geringen Verschleiß unterliegen und das Brennstoffgasgemisch aus den Wasserstoff-Isotopen Deuterium und Tritium nicht zu stark beeinflussen.
Die bisher zu Testzwecken errichteten Fusionsreaktoren setzten auf Schutzschilde aus Grafit, wie sie auch bei Raumfahrzeugen zum Wiedereintritt in die Atmosphäre eingesetzt werden. Doch dieses Material erfüllt die notwendigen Anforderungen für den zukünftigen Fusionsreaktor ITER, der 2020 im südfranzösischen Cadarache in Betrieb gehen soll, nicht. Daher ist für ITER eine „Erste Wand“ aus Beryllium und Wolfram – mit dem höchsten Schmelzpunkt von allen Elementen bei 3422 Grad Celsius – vorgesehen.
Allerdings gilt Wolfram auch als ein Material, das die Reaktionen in der Brennkammer negativ beeinflusst. Daher laufen seit September 2011 Tests mit einer „ITER-like Wall“ im weltweit größten Fusionsexperiment JET, die von dem im britischen Culham bei JET angesiedelten Culham Centre for Fusion Energy (CCFE) koordiniert werden. Das neue, für ITER vorgesehene Design enthält eine zwei Tonnen schwere Wolframstruktur aus insgesamt fast 10.000 Einzelteilen, die vom Forschungszentrum Jülich mit einem Budget von 10 Millionen Euro entworfen und montiert wurde.
Auf der 20th International Conference on Plasma Surface Interactions (PSI 2012), der alle zwei Jahre stattfindenden, wichtigsten Konferenz zu diesem Thema, haben Fusionsforscher nun erstmals die – überraschend positiven – Ergebnisse der ersten Testperiode vorgestellt. Unerwünschte Verunreinigungen im Fusionsplasma durch Sauerstoffgas und Kohlenstoff waren stark herabgesetzt. Die Abtragung von Wolfram aus der neuen Wandstruktur hat sich gegenüber Grafit spürbar reduziert. Und die Rückhaltung des Brennstoffgases in Wolfram fiel wie erwartet erheblich geringer aus.
Weitere Informationen:
20th International Conference on Plasma Surface Interactions (PSI 2012)
Institut für Energie- und Klimaforschung – Plasmaphysik
Ansprechpartner:
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Dr. Sebastijan Brezinsek, Institut für Energie- und Klimaforschung – Plasmaphysik, Forschungszentrum Jülich
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