Quantitative Modellierung

Die Transmissionselektronenmikroskopie (TEM) ist eine vielseitige Technik, die Bilder liefert, bei denen der Kontrast stark von der Materialstruktur auf atomarer Ebene beeinflusst wird. In den meisten Fällen ist es sehr schwierig, über qualitative Aussagen auf der Grundlage elektronenmikroskopischer Bilder hinauszugehen und Materialeigenschaften quantitativ zu bestimmen. Die Hauptgründe für diese Komplikation sind die starke Wechselwirkung von Elektronen mit Materie über die Coulombkraft, eine Vielzahl von Wechselwirkungsphänomenen, die zu einer Vielzahl von Signalabhängigkeiten führen, und die quantenmechanische Natur der Elektronenstreuung und der elektronenoptischen Abbildung. Unser Ziel ist es, die Modellierung der Elektronenstreuung und -abbildung so weit zu nutzen und weiterzuentwickeln, dass eine nahezu perfekte Übereinstimmung zwischen Experiment und Simulation erreicht wird. Das nachstehende Beispiel vergleicht ein experimentelles Bild mit Bildern, die anhand von Atomstrukturmodellen unter Berücksichtigung der detaillierten Kenntnisse über unsere Elektronenmikroskope berechnet wurden. Die Ergebnisse der Strukturmodellierung auf atomarer Ebene im TEM können auch die Berechnung von Materialeigenschaften durch Molekulardynamik oder Dichtefunktionaltheorie begleiten oder sogar Ausgangswerte für solche Ansätze liefern.

Rastertransmissionselektronenmikroskopie einer Sigma-9-Zwillingsgrenze in polykristallinem Silizium, das für Solarzellenanwendungen untersucht wurde. Zwei der drei verschiedenen Strukturmodelle, die durch eine Kombination von Bildgebung und Dichtefunktionaltheorie abgeleitet wurden, stimmen gut mit den experimentellen Daten überein. [1]

Elastische Elektronenstreuung und Streuung aufgrund der Anregung von Phononen können mit Hilfe von Softwarepaketen wie der Dr. Probe software [2] modelliert werden, die am Ernst Ruska-Centrum entwickelt wird. Wir arbeiten kontinuierlich an der Erweiterung der Bildsimulationssoftware um experimentelle Techniken, die über die üblichen Routinen hinausgehen, mit dem Ziel, sie einer breiteren Gemeinschaft zugänglich zu machen. Zu diesen Techniken gehören die Elektronenenergieverlustspektroskopie und sekundäre Röntgenemissionen. Sie liefern über die Spektralanalyse der inelastischen Elektronenstreuung ein Signal über die chemische Zusammensetzung eines Materials. Die Feinstrukturen der Elektronenenergieverlustspektren enthalten auch Informationen über chemische Bindungen und magnetische Eigenschaften der Probe. Die Analyse der Feinstruktur eines Spektrums ist eine große Herausforderung, insbesondere weil ein sehr schwaches Signal oft von einem starken Hintergrund getrennt werden muss und zusätzlich durch Mehrfachstreuung beeinträchtigt sein kann. Letzteres ist häufig auf eine größere Probendicke zurückzuführen, die bei solchen Experimenten verwendet wird, um die Signalqualität zu verbessern. Die Modellierung der vielfältigen Phänomene der Elektronenstreuung in einem Material hilft einerseits, Einblicke in die Beziehungen zwischen den Materialeigenschaften und dem im Experiment aufgezeichneten Signal zu gewinnen, und andererseits die Konzeption von Versuchsaufbauten und neuen Instrumenten im Hinblick auf die Verbesserung der Signalqualität voranzutreiben [3,4].

Interpretation des elektronenmagnetischen Zirkulardichroismus, bei dem eine Asymmetrie im Beugungsmuster durch ein Ungleichgewicht der unbesetzten Spinzustände in magnetischen Materialien verursacht wird. Eine Asymmetrie in der spektralen Feinstruktur hängt indirekt mit dem Ungleichgewicht der Spinbesetzung über die Spin-Bahn-Kopplung der elektronischen Zielzustände zusammen. [3]

Literatur:

[1] A. Stoffers, B. Ziebarth, J. Barthel, O. Cojocaru-Mirédin, C. Elsässer, D. Raabe, Phys. Rev. Lett 115 (2015) 235502 (doi: 10.1103/PhysRevLett.115.235502)

[2] J. Barthel, DrProbe - A software for high-resolution STEM image simulation, Ultramicroscopy 193 (2018) 1-11 (doi: 10.1016/j.ultramic.2018.06.003)

[3] J. Barthel, J. Mayer, J. Rusz, P.-L. Ho, X. Y. Zhong, M. Lentzen, R. E. Dunin-Borkowski, K. W. Urban, H. G. Brown, S. D. Findlay, and L. J. Allen, Understanding electron magnetic circular dichroism in a transition potential approach, Phys. Rev. B 97 (2018) 144103 (doi: 10.1103/PhysRevB.97.144103)

[4] J. Barthel, M. Cattaneo, B.G. Mendis, S.D. Findlay, L.J. Allen, Angular dependence of fast-electron scattering from materials, Phys. Rev. B 101 (2020) 184109 (doi: 10.1103/PhysRevB.101.184109)

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Letzte Änderung: 11.11.2022